… sollst stets die Stadt meiner Weinfreuden sein

Wollte man Wien mit einem Satz beschreiben, wäre das wohl schwierig ob der Vielschichtigkeit dieser Stadt. Beim Wiener Wein fällt das leichter: Der „Wiener Gemischte Satz“ vereint perfekt den Wiener Charakter. Die Lagen für diesen geschützten Wein, in denen mindestens drei weiße Qualitätsweinsorten angepflanzt sind, müssen sich innerhalb der Wiener Stadtgrenze befinden. Die Trauben werden alle gleichzeitig gepresst und vinifiziert, weshalb sich die früher reifen Rebsorten mit den späteren vermischen und ein harmonisches Geschmacksbild liefern.

Wien und Wein – das ist untrennbar miteinander verbunden. Schon allein deshalb, weil’s ein Anagramm ist. Wien ist die einzige Großstadt der Welt, in der Weinbau innerhalb der Stadtgrenzen im größeren Stil betrieben wird. Und das schon seit dem 12. Jahrhundert. Das Weinbaugebiet Wien besitzt mit über 600 Hektar die größte Weinanbaufläche sämtlicher Hauptstädte der Welt. Und das nicht nur zu Schau- und touristischen Zwecken. Dafür sind schon die Böden zu schade, die mitsamt dem Klima geradezu für Weinbau prädestiniert sind.

Klasse statt Masse

Von den über 600 Hektar Weinbaufläche werden deren 4 von Jutta Ambrositsch bewirtschaftet. Nicht viel, mag man denken, aber bei weitem genug für diese geniale Winzerin. Als Quereinsteigerin vor einigen Jahren noch belächelt, hat sie ihre Kritiker rasch eines Besseren belehrt und die Herzen der Weinkenner und Topadressen im Sturm erobert.

Für Jutta Ambrositsch ist die Zeit in ihren Weingärten Lebensqualität. Sie genießt die Arbeit mit den Weinstöcken, vor allem in ihrem Lieblingsweingarten Sommeregg und nimmt sich insbesondere für die Lese viel Zeit: Wo andere Winzer in 6 Tagen fertig sind, dauert es bei ihr bis zu 6 Wochen. Warum? Bei Jutta Ambrositsch wird nur am Sonntag gelesen, damit alle Freunde mithelfen können. Und es wird jede Traube in die Hand genommen und die schadhaften herausgeschnitten, wodurch eine sensationelle Traubenqualität erreicht wird.

Es wird a Wein sein…

Diese Qualität schmeckt man auch. Gerade jetzt im Sommer, obwohl die Hitze nicht so der Fall für Jutta Ambrositsch ist. Dafür ist ihr Wein aber perfekt als Sommerwein: Etwa „Ein Liter Wien“, der „Blauflossenthun-Bauchlappen unter den Pressmosten. Leider rar wie selten zuvor, glücklicherweise jedoch weit davon entfernt, seiner Extinktion ins Auge zu sehen. Geschmacklich heuer wieder eher ein rundum zufriedener, wohlgenährter Waldbewohner. Dicke Äpfel mit der Haut einer abgeklärten Wildsau, die den Herbst vorrangig im, von den letzten sanften Sonnenstrahlen erwärmten, weichen Erdreich zugebracht hat.“

Oder die „Rote Rakete“, ein leichter Fastrotwein, der gekühlt getrunken den kleinen und großen Durst besiegt. „Rotburger, Sankt Laurent, Blauburger, Merlot und ein paar weiße Stöcke, wahrscheinlich unabsichtlich gepflanzt, who knows, Wien vor 30 Jahren, frühe 80er, eine wilde Zeit in einer damals nicht sehr wilden Stadt, zumindest an der Oberfläche. Wieder zurück zum Wein: Waldboden und –früchte, eher mehr Kerne als Frucht. Anfermentierte Ehgrescherl (Stachelbeeren), ein paar vereinzelte Cranberries, und eine etwas zu heftig aufgeblasene, dunkelrosafarbene Luftmatratze am Teich.“ Passt übrigens super zu einer Pizza Salami – siehe Österreichischer Wein zu italienischem Essen.

Göttlich wird’s bei ihrem Welschriesling „Früchtegott“, den sie wie folgt beschreibt: „Vergoren in vorzüglicher französischer Eiche unter Zugabe einiger Kübel ganzer, hochreifer Trauben ohne Schwefel. 12 Monate hat dieses urwüchsige Biest geduldig in seinem 750 Liter-Fass darauf gewartet, neugierigen Trinkern an die Gurgel zu gehen… dann haben wir es geringfügig stabilisiert, unfiltriert gefüllt (obwohl beinahe unerklärlich klar im Glas) und für weitere sechs Monate weggelegt, und jetzt, jetzt darf der Freund also endlich raus an die frische Luft. Ein paar Stunden davon sollte man ihm schon geben, bis einem Salz, Zitrus, Straßenbau-gerätschaften, Kräuter, Würze und seine dreiste Geradlinigkeit zielstrebig unter den Pullover gehen.“

Ihr neuestes Meisterwerk: Grüner Veltliner „Revision“ 2017 (rechts der Donau). Nicht minder launig liest sich auch dessen Beschreibung: „Im Auskühlen begriffene Ramen-Brühe, Sake im handwarmen Kimasu aus dem so feinfaserigen Holz der Sicheltanne – auf nach Kyoto! Ein in sich ruhender Wein, der übers windstille Hafenbecken blickt und dabei sein Jetzt hinterfragt. Ein 68 Jahre alter, Assam trinkender und Birnen – törtchen mit Schlagrahm liebender, ein kariertes Tweed-Jacket tragender, lächelnder Flaneur, born and raised am Wiener Reisenberg, der alles gesehen hat und noch sehr viel vor hat.“

Wer jetzt unbändige Lust auf Ambrositsch-Wein verspürt, dem kann geholfen werden: Ob Rakete, Früchtegott, Revision oder Liter Wien – bei Ihrem freundlichen Vinothekar in der Bergstraße sind sie allesamt vereint, auf eine durstige Kehle wartend…

Bilder: oesterreichwein.at, wienerwein.at, travino.ch, Jutta Ambrositsch, WienWein/Rumpler